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„Applaus” bedeutet die Geste von Andreas Merkle.
Er freut sich, dass man den
Gehörlosen und ihren
Problemen Aufmerksamkeit schenkt.
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Zahlen 20 Jahre
Fakten
1994 wurde das Grundgesetz Art. 3 ergänzt: Niemand darf wegen
seiner Behinderung benachteiligt werden.
Menschen
Andreas Merkle aus Rosenheim, 44 Jahre alt, Rotationsdrucker, gehörlos. |
Andreas Merkle ist gehörlos
Rosenheim/Landkreis — Besonders gehörlose Menschen sehen sich von der
Gesellschaft benachteiligt. „Wir sind das fünfte Rad am Wagen. Es ist
für uns nicht möglich, mit Menschen im Alltag normal zu kommunizieren.
Deswegen fühlen sich viele Gehörlose isoliert und bekommen
Depressionen", erklärt Andreas Merkle, der gehörlos auf die Welt kam.
Die Behinderung ist zwar nicht sichtbar wie die eines Rollstuhlfahrers.
Dennoch sind die Betroffenen schwerstbehindert.
Alltägliche Dinge sind für sie häufig nur mit einem Kraftakt zu bewältigen.
„Wenn ich den Busfahrer etwas zum Fahrplan fragen möchte, schauen mich die
Leute oft an, als sei ich verrückt. Viele Busfahrer sind schnell genervt und
lassen mich ohne Informationen stehen", schildert der Zweite Vorsitzende des
Hörgeschädigten-Vereins Rosenheim seine Erlebnisse.
Besonders schwierig sei ein Besuch beim Arzt, weil ein Gehörgeschädigter
Symptome nicht so erklären kann wie jemand ohne Behinderung. Die
Krankenkasse müsste dafür einen Dolmetscher bezahlen. Aber Merkles Erfahrung
ist, dass er jedes Mal darum kämpfen muss. Da sei es umso erfreulicher, dass
die Stadt bei Veranstaltungen wie dem Neujahrsempfang einen
Gebärdendolmetscher zur Verfügung stelle: „Ansonsten wäre es für uns doch
gar nicht möglich, an solchen gesellschaftlichen Ereignissen teilzunehmen."
DamDamit sich die Situation von gehörlosen Menschen weiterhin bessert, wünscht
sich Merkle, dass die Politiker sich dafür einsetzen, dass der Teilhabeplan
für Menschen mit Behinderung wirklich umgesetzt wird. Sein
Kommunikationsassistent, Reiner Meisel, übersetzt: „Die Leute sollen
Gehörlose nicht wegstoßen, sondern sie zu sich heranziehen." bok
Serie: Inklusion und Teilhabe
OVB
Oberbayerisches Volksblatt Rosenheim, 23./24.08.2014