Von
Tina Baier
Es ist ein Menschenrecht behinderter Jungen und Mädchen, dass sie zusammen
mit nichtbehinderten Kindern zur Schule gehen dürfen. Leider ist das neue
Gesetz, das voraussichtlich am heutigen Mittwoch im Landtag verabschiedet
wird, weit davon entfernt. all en betroffenen Kindern in Bayern zu diesem
Recht zu verhelfen. Zwar ist es ein Schritt in die richtige Richtung. aber
nur ein ganz kleiner. Lediglich 40 von etwa 4000 Volksschulen sollen im
Herbst zu Inklusionsschulen werden, in denen behinderte Kinder
selbstverständlich aufgenommen werden. Wer nicht das Glück hat. zufällig in
der Nähe einer solchen Schule zu wohnen. ist nach wie vor auf den guten
Willen von Schulleitern und Lehrern angewiesen. Wenn der nicht vorhanden
ist, muss auf das Menschenrecht eben verzichtet werden. So darf ein Staat
nicht mit Menschenrechten umgehen, deren Kennzeichen es ja gerade ist, dass
sie für alle und überall gelten.
Es stimmt zwar, dass es in Bayern sehr viele und sehr gute Förderschulen
gibt, die man nicht von heute auf morgen schließen kann. Doch der Freistaat
muss sich vorwerfen lassen, dass er viel zu spät damit begonnen hat, die
Behinderten- Konvention der Vereinten Nationen umzusetzen. Dazu kommt, dass
die hehren Pläne an den üblichen Querelen zwischen Freistaat und Kommunen zu
scheitern drohen. Theoretisch finden nämlich alle die Inklusion behinderter
Schüler gut, praktisch will aber niemand dafür bezahlen: zum Beispiel, wenn
es darum geht, einen Aufzug in ein 30 Jahre altes Schulhaus einzubauen,
damit auch Rollstuhlfahrer in ihr Klassenzimmer gelangen. Es besteht die
Gefahr. dass Kommune und Freistaat in solchen Fällen so lange gegenseitig
aufeinander verweisen, bis das Kind, um das es geht, aus dem
schulpflichtigen Alter heraus ist.
Das darf auf keinen Fall passieren. Erstens, weil es der ganzen guten Idee
schaden würde, und zweitens, weil es wieder die Schwächsten treffen würde:
die betroffenen Kinder und ihre Familien Die Eltern sind oft durch die
Behinderung ihres Sohnes oder ihrer Tochter an den Grenzen der
Belastbarkeit, sodass sie weder Zeit noch Nerven haben, sich mit Behörden
herumzustreiten. Das sollten sie auch gar nicht nötig haben. Schließlich
geht es um ein Menschenrecht.
SZ / 13.07.2011 (Kommentar)